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DR. ERNA MEYER

* 13.02.1890 in Berlin, geb. Erna Konstanze Fanny Karoline Pollack
† März 1975 in Haifa, Israel

deutsche, später israelische Volkswirtschaftlerin und Publizistin

Der Titel ihrer Dissertation in Volkswirtschaftslehre 1913 gibt den Weg ihres lebenslangen Engagements vor: „Der Haushalt eines höheren Beamten in den Jahren 1880–1906, untersucht an Hand von Wirtschaftsrechnungen“. Sie gilt als Start der Ratgeber-literatur über wirtschaftliche Haushalts- und Lebensführung.

E. Meyer wird eine der wichtigsten „Haushaltsexpertinnen“ der Weimarer Republik.

Sie schrieb das Buch „Der neue Haushalt“, das bis 1932 in 40 Auflagen erscheint.

Durch ihr Engagement für eine rationelle Haushaltsführung wird sie 1927 mit der Leitung der Küchenausstellung der Stuttgarter Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung“ beauftragt. Dafür entwirft sie mit HILDE ZIMMERMANN vier „Stuttgarter Küchen“. Wie sie in einem Artikel über „Das Küchenproblem auf der Werkbundausstellung“ schreibt „konnte [bei] den Nöten unserer Zeit kein anderer Gedanke im Mittelpunkt stehen als: Kraft- und Zeitersparnis“.

Weiter entwickelte sie 1928 die Münchner Küche mit HANNA LÖV und Walther Schmidt.

1929 gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann Arnold (Dipl. Ing.) die Fachzeitschrift „Neue Hauswirtschaft“.

Sie verfasste ein Haushaltungsbuch und weitere Ratgeberliteratur.

Die Nationalsozialisten verbieten ihr 1933 aus ideologischen Gründen die Weiterarbeit an ihrer Zeitschrift.

Sie emigrierte noch 1933 nach Tel Aviv.

In Israel verdiente sie ihren Lebensunterhalt weiter mit der Veröffentlichung von Ratgeberliteratur, z.B. „Küchenzettel in Krisenzeiten“, als Hauswirtschaftsleiterin eines Kinderdorfs und als Lehrerin an einer Berufsschule in Jerusalem.

1936 veröffentlicht sie das Kochbuch „Wie kocht man in Erez Israel?“ (in Hebräisch, Deutsch und Englisch). Sie empfiehlt darin, aus der Heimat gewohnte Rezepte in Israel an die regionalen Lebensmittel und Gewürze anzupassen. Das Kochbuch erlebt mehrere Auflagen.

weiterführende Links:

  • Erna Meyer (jewwiki)
  • Exil-Archiv (link)
  • Haushaltskartei „Gedächtnishilfe der Hausfrau“ von Erna Meyer, um 1930 (link)
  • Erna Meyer, «Das Küchenproblem auf der Werkbundausstellung», in: Die Form, Jg. 2, H. 10, 1927, S. 299–307; 304ff. [beim download ganze Seiten: (S.24) (S. 58) (S. 213) (S. 299-307ff., scroll)
  • Hinweis auf die Zeitschrift „Neue Hauswirtschaft“; Kattowitzer Zeitung, 1932, Jg. 64, Nr. 37, S. 8 (link)
  • L‘ homme :
  • Abstraktion durch Anschaulichkeit : Wirtschaftliche Haushalts- und Lebensführung in der Zwischenkriegszeit, Wimmer, Mario 2011 (link)
  • EINE KOMPOSITION VON GEGENSÄTZEN (pdf, Dissertation, Monika Isler Binz)

Quellen:

  1. Hrsg.: „Gedächtnishilfe der Hausfrau“. Akademischer Verlag Dr. Fr. Wedekind & Co., Stuttgart 1928.
  2. Karteikasten voll mit Rezepten – Von Landesmuseum Württemberg / Dirk Kittelberger – Landesmuseum Stuttgarthttps://www.landesmuseum-stuttgart.de/sammlung/sammlung-online/dk-details?dk_object_id=10258, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=122078256
  3. Die Form Zeitschrift für gestaltende Arbeit. 2.1927
  4. „Das Küchenproblem auf der Werkbundausstellung“. In: Die Form. Monatszeitschrift für Gestaltende Arbeit. Bd. 2 (1927), Heft 1, S. 299–307
  5. http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2009/874
  6. https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0309

Stand: 10.2023

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HANNA LÖV

* 19. Januar 1901 in München
† 1995 in München Münchner

Architektin, Entwicklerin der „Münchner Küche“

Karikierende „Beschwerde“ eines Bewohners der Versuchssiedlung:

„STIMMEN AUS DEM KREIS DER VERSUCHSMIETER

Warum sind die Spülbecken in der Küche so klein gehalten, daß man Kinder darin nicht ordentlich baden kann? Außerdem sind sie dazu zu hoch angebracht.

Warum haben die Siebe in den Abgüssen so große Löcher? Hineingelegte Makkaroni rutschen regelmäßig durch.

Warum sind die Eisenroste über den Badewannen so scharfkantig? Kein Mensch kann es lange darauf aushalten.

Warum wurde mir in die Küche ein teurer Glasverschlag gestellt? So muß ich nun einen teuren Plüschvorhang hineinhängen und zur Raumaufteilung hätte das Klavier doch auch genügt.

Warum wurde die Versuchssiedlung nicht überhaupt altmodischer gebaut? Wir hätten uns viel wohler darin gefühlt. (Koboldt)“

Kontrastreicher hätte das Leben der beiden zeitgleich lebenden Architektinnen nicht verlaufen können:

Das der Kommunistin MARGARETE SCHÜTTE-LIHOTZKI (1897 – 2000), verheiratet, mit einer politischen Agenda, politisch verfolgt und diskriminiert, freiberuflich und weltweit arbeitend. Heute geehrt und erinnert.

Und das der HANNA LÖV (1901 – 1995), unverheiratet, politische Einstellung unbekannt, diskriminiert als Frau, Beamtin, lebenslang in München lebend.

Heute ist H. Löv so gut wie vergessen – u.a. weil die Männer, mit denen sie arbeitete (arbeiten musste), bis heute mehr Aufmerksamkeit bekommen und in Schriften vorrangig erwähnt werden. Dazu stand/steht sie als „Nachfolgerin“ im Schatten der öffentliche Polarisierung verursachenden Schütte-Lihotzky.

Dabei ist die von ihr entwickelte „Münchner Küche“ mindestens genauso wichtig wie die „Frankfurter Küche“ als Vorläufer der familien-, evtl. genderfreundlicheren „offenen Küche“.

1928 entwickelte sie diese mit ERNA MEYER (1890 – 1975) – eine bekannte Publizistin, auch engagiert in Küchen-Entwicklung – und mit Walther Schmidt vom Baureferat für die Versuchssiedlung des Bayerischen Post- und Telegraphenverbandes.

Diese Küche sollte die Vorteile der „Frankfurter Küche“ (die aber als „Isolation“ kritisiert wurde) mit denen der „unmodern und unhygienisch“ eingestuften Wohnküche vereinen.

So setzten sie zwischen der etwas abgewandelten Frankfurter Küche und dem Wohnzimmer eine teilverglaste Wand. So konnte die Mutter auch bei ihrer Küchenarbeit ihre Kinder beaufsichtigen und „am Familienleben teilnehmen“.

Mieter, die in eine solche „Muster-Wohnung“ einziehen wollten, mussten zustimmen, dass E. Meyer und ihr Chef R. Vorhoelzer jederzeit (unangemeldet!) die Wohnung betreten und Interessenten zeigen konnten.

„So nebenbei“ galten diese unangemeldeten Besuche auch dem moralischen Anspruch, dadurch die Familien zu pfleglichem Umgang mit den Möbeln und zu allgemeiner Hygiene anhalten zu können!

weiterführende links:

  • Bayerische Staatszeitung – Bauen (link)
  • Buch: Regierungsbaumeisterin in Deutschland. Die Architektin Hanna Löv (1901-1995), Laura Ingianni Altmann (link)
  • „Die Post in Grassau am Birkenweg“ (Traunsteiner Tagblatt, 10.09.2022, Druckausgabe)
  • „Wie die Bayerische Post modernes Bauen in München förderte“, Alexandra Avrutina (link)
  • „Lassen wir die Küche im Dorf“, Michael Cornelius (link)
  • Hanna_Löv (wikipedia)
  • Münchner Küche (wikipedia)
  • blog5 (link)
  • Interview mit Mieterin (link)
  • Museum der Dinge (link)
  • mediaTUM Gesamtbestand, Architekturmuseum-Sammlung (link)

Fotos:

  1. München Postversuchssiedlung München-Neuhausen von Süden
    Muss-Angabe: Von O DM – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7595683
  2. Wohngebäude Bayerischzellerstraße 9 – 11
    München-Giesing (Stockwerksiedlung Walchenseeplatz) — Bayerischzellerstrasse 9 – 11 (Wohngebäude)
  3. Alexandra Avrutina, “Die Postversuchssiedlung,” MunichArtToGo, zugegriffen am 20. August 2023, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/35 (Karikatur)
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Margarete Schütte-Lihotzky

* 23. Januar 1897 in Wien-Margareten, Österreich-Ungarn
† 18. Januar 2000 in Wien

Wiener Architektin, Entwicklerin der „Frankfurter Küche“

Ebenfalls aus sozialistisch-kommunistischer Haltung heraus entstand zur selben Zeit der Gartenstadtbewegung der entgegengesetzte Entwurf zur „Kommunenküche“ die FRANKFURTER KÜCHE. 1926-1928 für eine neue Arbeitersiedlung entwickelt – 1,87×3,44m klein: Vorläufer der heutigen „Einbauküche“.

Ziel war nicht nur die Arbeitsentlastung für die berufstätige Frau, sondern auch die Verbesserung der Hygiene: mottenabweisende Hölzer, putzarm durch Schränke bis zur Decke …

Entwickelt hat die Küche die Wiener Architektin MARGARETE SCHÜTTE-LIHOTZKY (1897 – 2000). Dadurch wurde sie weltweit bekannt, oft ungerechtfertigt darauf reduziert.

Sie war eine der ersten Frauen, die in Österreich Architektur studierten – und anschließend auch berufstätig wurden. Ihre Lebensaufgabe wurde der soziale Wohnungsbau. Sie arbeitete, baute, lehrte u.a. in Ö., Dtschl., der UdSSR, Türkei, Bulgarien, Kuba. Manche Stationen wurden durch politische Verfolgung nötig.

Bereits mit ihren ersten Arbeiten befasste sie sich mit der Ausarbeitung von Siedlungshaustypen und deren Einrichtung. 1916/17 (im 3. Semester) gewann sie an ihrer Schule einen Wettbewerb zum Thema „Eine Wohnküche in der äußeren Vorstadt“. Sie entwarf dafür eine 2-geschossige Arbeiterwohnungsanlage um einen quadratischen Hof, die Wohnungen mit je eigenem Wasseranschluss. Um 1920 entwarf sie Kochnischen u. Spülküchen.

Ihr Gesamtwerk umfasst Wohn-, Geschäfts-, Industriebauten, Denkmäler und mehr. Daneben waren Kinderheime und Schulen (speziell in der UdSSR), Kindergärten u. Kindermöbel ihr Arbeitsschwerpunkt.

1927 heiratete sie ihren deutschen Architektenkollegen Wilhelm Schütte.

Beide wurden 1930 (zusammen mit anderen Architekten) nach Moskau zur Planung neuer Wohnstädte berufen.

Dez. 1940 fuhr sie von Istanbul nach Wien. Dort beteiligte sie sich am österr. Widerstand gg. den Nationalsozialismus.

Kurz vor ihrer Rückreise wurde sie verhaftet. Erst bei Kriegsende 1945 endete ihre Gefangenschaft.

Sie blieb Kommunistin, Frauen-, Friedensaktivistin und erlebte deshalb weitere Diskriminierung.

In Ö. und Dtschl. wurden sie und ihre Arbeit erst ab ihrem 80. L.j. anerkannt und geehrt. Ihre letzte Wohnung in Wien (unter Denkmalschutz) betreibt heute der MLS-Club als MLS Zentrum.

weiterführende links

  • MSL-Zentrum, Wien (Biografie)
  • Die Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky (museumsportal-berlin)
  • „…diese verdammte Küche nie gebaut“ (link)
  • Theorie und Geschichte der Frankfurter Küche (link)
  • Architekturzentrum Wien (link)
  • Deutschlandfunk (link)
  • Die Industrialisierung – das Kernproblem des Bauens in unserer Zeit, Gerhard Kosel (pdf)

Quellen:

  1. Die erste Frankfurter Architektin auf dem Hochbauamt M. Schütte-Lihotzky, 1927, Zeichnung von Lino Salini
    Von Lino Salini – http://derarchitektbda.de/endlich/, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=125189109
  2. Die Frankfurter Küche von 1926. Rekonstruktion mit Lihotzky, 1990
    Von Christos Vittoratos – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4201238
  3. Werkbundsiedlung Wien 1932, Woinovichgasse 2 und 4
    Von Thomas Ledl – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17767731
  4. Typisiertes Schrebergartenhaus in Frankfurt, 1925–1930 (Zustand 2014)
    Von Christos Vittoratos – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34240324
  5. M. Schütte-Lihotzky bei der Eröffnung des Margarete-Schütte-Lihotzky-Platzes in Radstadt (1997)
    Von Michael Habersatter – Michael Habersatter, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62835824
  6. Margarete Schütte-Lihotzky, 1997
    Von Werner Faymann – Werner Faymann und Brauner 1997, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46576116

Stand: 10.2023

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Gartenstadt Nürnberg

Durch die Industrialisierung wächst Nürnberg um 1900 buchstäblich aus seinen Mauern heraus. Industriebetriebe siedeln sich südlich der Stadtmauer an. Sie ziehen sehr viele Arbeiter*innen aus Nürnberg und Wanderarbeiter*innen an.

Bald reichten die ersten speziell dafür gebauten „Arbeiter-Häuser“ nicht mehr. Stadtviertel mussten neu angelegt werden. Die Nürnberger entschieden sich als eine der Ersten in Deutschland für das Modell „GARTENSTADT“ (ab 1902).

Gute Arbeiter*innen mussten gehalten werden. Es brauchte also Unterkünfte für sie. Täglich je rund ½ Stunde Fußmarsch aus Nürnberg und zurück war Niemandem zuzumuten. Schon gar nicht den Frauen, die nach täglich 10-stündiger Fabrikarbeit noch Familienarbeit verrichten mussten.

Die GRUNDIDEE hatte 1902 der britische Genossenschaftssozialist E. Howard (1850-1928) als Reaktion auf die katastrophale, ungesunde Wohn- und Lebenssituation der Industriearbeiter*innen:
Wohnstädte ringförmig um die Kernstadt anordnen und mit ihr sternförmig vernetzen. Wichtiges Detail: die Mitbestimmung der Bewohner und lebenslanges Mietrecht, das vererbbar ist.

Daraus entwickelte sich die weltweite GARTENSTADT-Bewegung mit Umsetzungs-Variationen (manchmal ohne Genossenschaftsaspekte). Baugenossenschaften gründeten sich.

So entstanden in Nürnberg ab 1902
– die ARBEITERSIEDLUNG RANGIERBAHNHOF der Bahn,
– die WERKSIEDLUNG WERDERAU der MAN,
– die GARTENSTADT mit gemischter Arbeiterschaft.
Die Siedlungen stehen unter Denkmal- und Ensembleschutz.

Die Bewohner sind allgemein bis heute stark sozialdemokratisch-genossenschaftlich geprägt.

Jedes Haus hatte Wasseranschluss und Toiletten, dazu Kleingartenbereiche hinter den Gebäuden für Obst- und Gemüseanbau. Es gab zentral gelegene Geschäfte, Schule, Ärztehaus, Gasthaus, Kirchen, „Gesellschaftshaus“, das von Allen nutzbare Waschhaus.

Ein dort aufgewachsener Bewohner erzählte vor Jahren, dass es in der „GARTENSTADT“ neben den individuellen Küchen der Häuser eine große Gemeinschaftsküche gab, um Frauen vom Kochen zu entlasten.

Die VERGESELLSCHAFTUNG von ALLTAGS-KOCHEN als Entlastung für Frauen ist ein spannender Gedanke. Leider finde ich im Internet nichts Näheres zu dieser konkreten STADTTEIL-KÜCHE.

weiterführende Links

  • Gartenstadt Nürnberg (link)
  • Unsere Gartenstadt einst & heute (link)
  • Statistische Gliederung von Nürnberg (wikipedia)
  • Gartenstadtbewegung (wikipedia)
  • Ensemble Arbeitersiedlung Rangierbahnhof (wikipedia)
  • Ensemble Gartenstadt Werderau (wikipedia)

interne links:

Nürnberg – Straßen, Wege, Plätze u.ä. (link)

Quelle Impressionen des Stadtteils „Gartenstadt“: eigene Fotos 2023