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Martha Krautheimer

geb. Landmann, verw. Krautheimer (1875 Fürth – 1967 Lugano/Schweiz)

Martha stammte aus einer Hopfenhändlerfamilie. Sie besuchte eine „höhere Schule“.

1895 heiratete sie mit 20 Jahren den Kaufmann Nathan Krautheimer.

Die erstgeborenen Zwillinge starben kurz nach der Geburt. Sie bekamen drei weitere Kinder.

Nathan starb 1910. Martha erfüllte seinen Wunsch, 60.000 Mark (heute ca. 390.000 €) für einen sozialen Zweck zu verwenden.

Durch hohe Industrialisierung („Fürth – Stadt der tausend Schlote“) und niedrige Löhne gab es sehr viele Arbeiterinnen (ohne „Mutterschutz“). Krippenplätze fehlten zuhauf.

Sie veranlasste deshalb den Bau einer neuen Krippe.
Die Stadt Fürth spendete einen Bauplatz direkt neben dem Nathanstift.

Foto Doc Bendit, November 2006;
https://www.fuerthwiki.de/wiki/index.php?curid=5036

Schon 1912 eröffnete Martha die „Krautheimer Krippe“:

Zimmer nach SW, Balkone gegen Rachitis und Tbc, überdachter Übergang zum Nathanstift; – mit Hygienevorschriften wie tägliches Baden, keimfreie Flaschennahrung, saubere Räume …

Ausdrückliche Weisung:
Es ist ein Säuglingsheim für „gesunde Säuglinge ehelicher und unehelicher Abstammung ohne Unterschied der Konfession“.

Sie unterstützte die Einrichtung weiterhin finanziell, da das Anfangskapital nie für den laufenden Betrieb reichte.

1913 heiratete sie erneut: den Schuhfabrikanten Franz Ehrlich, der die an sie geerbte Firma Krautheimer & Co. als Ehrlich Schuhwaren-Compagnie weiterführte. Sie bekamen einen Sohn.

1929 ging die Firma bankrott (wohl wegen der Weltwirtschaftskrise)

1932 emigrierte Martha vor den Nationalsozialisten nach Schweden.

Der Großteil ihres Geschäftshauses fiel nach der Emigration an den Bayrischen Staat. Dieser verkaufte es gleich 1932 an Gustav Schickedanz weiter.

Name der Krippe ab 1935: „Kleinkinder- und Säuglingsheim“.

26. Mai 1945: Rückbenennung in „Krautheimer Krippe“.

Die Krippe wird am 31.12.1967 geschlossen.

Martha Ehrlich, geb. Landmann, verw. Krautheimer,

stirbt 1967 mit 92 Jahren in Lugano.

weiterführende links:

  • fürthwiki (M. Krautheimer) (Krautheimer Krippe)
  • jüdisches Museum Fürth (Krautheimer Krippe) (Fotoalbum Familien Landmann, Krautheimer, Ehrlich und Caspary)
  • Hans-Joachim Winckler, FN 13.3.2012: Bewegende Momente in der Milchküche (link)
  • Moritz Schulz, FN 17.11.2012: Vom Säuglingsheim zum Schulgebäude (link)
  • Sabine Rempe, FN 11.09.2022: „Martha Krautheimer: Diese Frau war ein Segen für Fürther Neugeborene“ (nn+, mit Anmeldung)
  • Peter Frank: Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung der jüdischen
  • Fürther Bürger in der Zeit des Nationalsozialismus ab 1933 (link)

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AMALIE NATHAN (1849- 1906)

geb. Mühlhäuser
19.03.1849 in Fürth – 17.11.1906 in Wien

Sie stammt aus einem jüdischen Elternhaus.

Mit 20 heiratet sie den Besitzer des Bankhauses Nathan & Co. einen nahen Verwandten. Ihr gemeinsamer Sohn Alfred bleibt zeitlebens unverheiratet.

Von der Familie Nathan gibt es in Fürth vielfältige Stiftungen.
Allein Alfred spendete über 2 Mio. Mark – heutige Kaufkraft: ca. 15,6 Mio €

Ihre größte Stiftung „das Nathanstift“ ist bis heute wichtig:
eine Geburtsklinik, wenn auch seit 1967 nicht mehr im ursprünglichen, längst zu klein und unmodern gewordenen Gebäude (heute eine Realschule).

Im Gedenkraum des heutigen Nathanstifts steht Amalies Marmorbüste des Fürther Bildhauers Johannes Götz von 1927.

Ende 1906 spendet Alfred Fürth im Auftrag seiner Mutter 300.000 Mark (ca. 2,1 Mio €) zur Gründung eines Wöchnerinnen- und Säuglingsheims – ausdrücklich für verheiratete und unverheiratete Frauen!

Bedingung: die Stadtverwaltung spendet den Bauplatz und (!) der Bau muss 1907 begonnen werden.

Am 1.12.1909 nahm es die ersten Patientinnen auf.

Zum Beerdigungstag seiner Mutter spendet er zusätzlich noch je 3.000 Mark (ca. 21.000 €) für jüdische und christliche bedürftige Bürger Fürths.

Schon 1888 gründete Amalie die „Sigmund und Amalie Nathan’sche Stiftung“ mit einem Kapital von 40.000,- Mark (ca. 320.000 €), deren Erträge an bedürftige Familien und Witwen verteilt werden sollten.

HINTERGRUNDINFOS zur Säuglingssterblichkeit dieser Zeit:

– um 1850 starben in Bayern 311 von 1000 Neugeborenen (In Schleswig-Holstein 124).

– 1861: Die Säuglings-Sterberate in Fürth war eine der höchsten im deutschen Bund. Es starben in Fürth durchschnittlich mehr als 28% der Kinder im 1. Lebensjahr – bei ledigen Müttern sogar gut 40%.

– 1903: durchschnittliche Säuglings-Sterberate in Fürth 28,4% – bei ledigen Müttern ca. 36%

– 1905: durchschnittliche Säuglings-Sterberate in Fürth 30% – bei ledigen Müttern ca. 36%

Vgl. heute:

Rund 3.900 Babys (½ %) und 47 Mütter sterben in Deutschland jährlich bei der Geburt.

Quellen u.a.:
Petra Plotz: Seminararbeit „Kindersterblichkeit“, 2009
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
Bücher von Barbara Ohm

weiterführende links:

  • weiterer blog über Amalie Nathan (interner link)
  • fürthwiki (A. Nathan) (Nathanstift)
  • Alfred Nathan (hagalil.com)
  • Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er-Jahre (link)
  • Amalienruhe (auch Amalienhöhe) (link)

interne links:





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REGINA JOSEPHA VON SIEBOLD, 1771 – 1849

geb. Henning, verw. Heiland
14.12.1771 – 28.02.1849

Beruf: Geburtshelferin, „ärztliche Hebamme“

1815: Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität Gießen – als erste Frau Deutschlands überhaupt – für ihre Verdienste um die „Entbindungskunst“ (Geburtshilfe).

Ihre Tochter Charlotte war die erste Frauenärztin Europas.

Ab ihrem 2. Lebensjahr wächst sie bei ihrem Onkel auf, lernt auch Reiten und Fahren – später als Hebamme hilfreich.

Ab dem 10. Lebensjahr lebt sie in einem Internat der Ursulinen.

Mit 16 Jahren heiratet sie ihren Vormund und bekommt mit ihm 4 Kinder.
Ihre Tochter Charlotte von Siebold, geb. Heiland, wird die 1. Frauenärztin Europas.

Mit 22 Jahren wird Regina von Siebold Witwe.

Zwei Jahre später heiratet sie den Arzt Dr. Damian von Siebold.
Sie bekamen 3 Kinder.

Damian war wegen Depressionen nicht voll arbeitsfähig. Das Einkommen war deshalb schmal.

R. von Siebold entschied sich, selbst Frauenheilkunde zu studieren, um selbst für Einkommen sorgen zu können.

Mit Hilfe ihres Schwiegervaters Prof. Carl Caspar v. S. und Schwagers Prof. Adam Elias v. S. bekam sie eine Ausnahmegenehmigung, an deren Vorlesungen über Geburtshilfe an der Uni Würzburg teilzunehmen – hinter einem Vorhang! (Dazu zieht sie sogar nach Würzburg.)

Praktische Übungen waren ihr dort verwehrt.
Ihr Mann übernahm nach ihrem Studium die praktische Ausbildung.

Mit 36 J. erhielt sie zunächst die behördliche Erlaubnis, gegen Pocken zu impfen.

Sie bestand ein besonders strenges Examen vor dem „Großherzoglichen Medizinalkollegium“ – mit, wie meist bei Pionierinnen, hervorragendem Ergebnis. Danach durfte sie als Ärztin für Geburtshilfe praktizieren.

Sie tat das sehr lange und erfolgreich!
Sie behandelte Arme und Reiche gleichermaßen! Arme unterstützte sie zusätzlich auf vielfältige Weise.

Durch die Initiative ihres Mannes verlieh ihr die Universität Gießen 1815 die Ehrendoktorwürde – als erster Frau Deutschlands überhaupt!

******

  • Darmstadt ehrt das Ehepaar mit einer Straßenbenennung.
  • In Bad Bevensen und Berlin gibt es weitere nach ihr benannte Straßen.
  • In Würzburg gibt es das Siebold-Museum. Es zeigt Exponate zum Leben und Wirken der Würzburger Ärzte und Gelehrtenfamilie Siebold.
  • ein Krater des Planeten Venus ist nach ihr benannt

weiterführende links:

  • wikipedia (link)
  • Deutschlandfunk 2005: Pionierin der Medizin-Geschichte (link)
  • Stadtlexikon Darmstadt (link)
  • Siebold-Museum Würzburg (link)
  • Wissenschaftsstadt Darmstadt 2021 (link)
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Justine Siegemund(in), 1636-1705

geb. Dittrich
* 26. Dezember 1636 in Rohnstock – damals Niederschlesien, Königreich Preußen, heute polnisch ‚Roztoka‘ ;
† 10. November 1705 in Berlin, Königreich Preußen

Geboren als Tochter eines Pfarrers war es ihr nicht in die Wiege gelegt, einmal das erste deutsche Lehrbuch für Hebammen zu schreiben und zu veröffentlichen.
Auch nicht, einmal als „Chur-Brandenburgische Hof-Wehemutter“ nach Berlin berufen zu werden.

Mit 21 Jahren erlebte und erlitt sie eine „Scheinschwangerschaft“ – unwissende Hebammen versagten. Folge:

Sie eignete sich über Bücher theoretisches Wissen an, stand armen Bäuerinnen kostenlos bei.

Sie erwarb so viel Wissen, dass sie 1670 mit 34 Jahren im nahegelegenen Liegnitz (Legnica) als „Stadt-Wehemutter“ angestellt wurde.

Durch ihre hervorragende Arbeit wurde sie überregional bekannt.

1683 berief sie der brandenburgische Große Kurfürst Friedrich Wilhelm an seinen Hof in Berlin.
Auch noch unter dem ersten Preußenkönig Friedrich I. arbeitete sie als hochdotierte Wehemutter.

Eigene Kinder bekam sie nie.
Aber sie begleitete im Laufe ihres Lebens wohl 6199 registrierte Geburten.

„Klassisch“ wurde der von ihr erfundene „gedoppelte Handgriff“, den man anwendete, wenn das Kind quer oder schräg lag und die Fruchtblase gesprungen war.

Berühmt wurde sie durch ihr Hebammen-Anleitungsbuch.
Dessen Fokus lag besonders auf Früherkennung und Kontrolle anormal verlaufender Geburten.

Es erschien 1690, wurde 1691 ins Niederländische übersetzt und bis 1756 immer wieder neu aufgelegt.

U.a. die spätere engl. Königin hatte sie ermuntert, ihr Wissen zu veröffentlichen.
Bevor sie das jedoch tat, ließ sie ihr Buch von drei Hofpredigern und der medizinischen Fakultät der Universität Frankfurt a. d. Oder begutachten.

Ihr Buch diente fast ein Jahrhundert lang deutschsprachigen Wehemüttern und Ärzten als fundierte praktische Beratung und wissenschaftliche Inspiration.

Ihre Prominenz und Anerkennung schützte sie nicht vor Angriffen von Ärzten und konkurrierenden Hebammen.
Umso mehr nach 1685, als ein Erlass der ersten Medizinalordnung in Brandenburg eine Examinierung der Hebammen durch Ärzte einführte.
Autoren bedienten sich ihrer von ihr entwickelten Techniken und Kupferstiche, z.T. ohne ihre Autorenschaft zu erwähnen.

Straßen sind nicht nach ihr benannt, noch gibt es Denkmäler zu ihren Ehren.

Die Aktion „FrauenOrte in Brandenburg“ legte aber einen „Frauenort“ in Frankfurt/Oder fest und markierte ihn mit einer Gedenktafel. (52.34175°N, 14.55431°E)

Quellen u.a.:
Klaus Brath, Ärztezeitung 10.11.2005

© Foto: H.-P.Haack. – Antiquariat Dr. Haack Leipzig, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=70363581

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MARIA MAGDALENA HEERDEEGEN

Margaretha Heerdeegens Tochter
MARIA MAGDALENA HEERDEEGEN

Bayern ist seit 1806 Bayerisches Königreich.
Maria Magdalena macht ihr Ausbildung im Ausland auf der Großherzoglichen Württembergischen Hebammen-Schule.

1810 wird Maria Magdalena Heerdegen von der Stadt Fürth als Hebamme angestellt.

Sie hat ebenfalls wie ihre Eltern medizinisches Interesse. Auch sie lässt sich zur Hebamme ausbilden.

Aber sie wählt eine qualitativ bessere Ausbildung (mit Qualifikation für Risikoschwangerschaften) – im Ausland:

In der Großherzoglichen Württembergischen Hebammen-Schule.

Für ihre hervorragenden Prüfungsergebnisse bekommt sie nur deshalb keinen Preis, weil sie Ausländerin aus dem (seit 1806) königlichen Bayern ist.

Die Stadt Fürth erkennt das ausländische Zeugnis an.
Sie stellt 1810 Maria Magdalena mit dem hier üblichen Amtseid an – nicht ohne den Zusatz
„sich mit dem festgelegten Lohn zu begnügen“,
keine Aufschläge auf Extraleistungen zu verlangen
und arme Frauen möglichst unentgeltlich zu behandeln.

B. Ohm „Geschichte der Frauen in Fürth“, Geschichtsverein Fürth (Bay.), 2021

Zeichnung: 1864 Lehrbuch der Geburtshilfe für Hebammen (Tab.10/1)

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MARGARETHA HEERDEEGEN

MARGARETHA HEERDEEGEN

1800: Zeit, in der Napoleon Bonaparte Europa erobert. Fürth gehört zu Preußen.

1802 wird Margaretha Heerdegen von der Stadt Fürth als Hebamme angestellt.

Margaretha ist die Ehefrau des (nicht-akademischen) Baders und „Spithal Chirurgs“ Heerdegen.

So ist es nicht überraschend, dass sie Hebamme werden will.

Sie hospitiert erst bei einer Fürther Hebamme, um „praktische Verrichtungen“ zu üben.

1800 beginnt sie einen Hebammenkurs in Ansbach. Ausbildungsordnung ist die „Brandenburgische Hebammenordnung“.

1802 legt sie eine sehr gute theoretische und praktische Prüfung ab.

1802 wird sie von der Stadt Fürth als Hebamme angestellt – mit der Aufforderung, sich stetig weiter zu bilden und bei Problemen einen Arzt einzubinden.

B. Ohm „Geschichte der Frauen in Fürth“, Geschichtsverein Fürth (Bay.), 2021

Zeichnung: 1864 Lehrbuch der Geburtshilfe für Hebammen (Tab.10/1)

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EUPHROSINA HARTMANN

bekam 1772 ihre Hebammen-Stelle bei der Stadt Fürth. Sie sollte gleichzeitig Lehrhebamme sein.

Fürth wurde nach dem Wiederaufbau der – durch den 30-jährigen Krieg – völlig zerstörten Stadt wohlhabend:

durch eine liberale Bevölkerungsansiedlung mit jüdischen Kaufleuten und reformierten Gewerbetreibenden;
durch stark wachsende Industrialisierung;
durch die Anbindung 1860 an das staatliche Eisenbahnnetz.

Kehrseite:
ein großes Proletariat,
Frauen und (ledige) Mütter am Ende der Armutskette,
miserable Wohnverhältnisse.

Keine sprudelnde Geldquelle für die Hebammen!

Euphrosina Hartmann wurde 1772 bei der Gemeinde Fürth angestellt. Sie sollte gleichzeitig Lehrhebamme sein.
Ihre Prüfungszeugnisse waren hervorragend. Sie galt als „geschickte Person“ für den Hebammenberuf.

Kurze Zeit später beschwert sie sich bei der Stadt, dass sie die ihr zugesagte Bezahlung nicht bekam, sondern nur freie Wohnung und Brennholz. Sie fordert nun ein festes Gehalt.

Sie beschreibt dem Rat, dass sie extrem vielen armen Frauen beistehen muss(te), die schon nicht die Taufgebühren bezahlen können, geschweige denn ihren Lohn.

Sie beschreibt, wie schwer ihre Arbeit ist, mit wie viel Leid sie umgehen muss durch die (tödlichen) Risiken für Mutter und Kind.

Nicht umsonst wird in der Hebammenordnung offiziell verlangt, während der Geburt „fleißig“ zu beten.

Sie legt sogar eine Liste vor mit allen Frauen, die sie kostenlos behandelt hat.

Es nützt alles nichts! Der Stadtrat lehnt rigoros diese Bitte ab.

Sie solle sich den Lohn von den Vermögenden holen und die Armen aus christlicher Liebe und Barmherzigkeit weiterhin kostenlos behandeln.

Andere Hebammen dieser Zeit hatten ein ähnliches Problem!

********

Diese Geschichte bekommt noch zusätzlich Sprengkraft durch eine Info, die ich bei fürthwiki für das Jahr 1772 fand.
Dort wird aus einer Chronik Folgendes zitiert:

„Wegen der großen Hungersnot und der Fleckfieber-Epidemie reicht der Kirchhof für die Bestattung der vielen Leichen nicht mehr aus.

„Man war bereits gezwungen, in einem Grab fünf Särge aufeiander zu stellen.“ …

Ende November 1772 entspannt sich die Situation und „Teuerung und Krankheiten nehmen endlich ab“.

B. Ohm „Geschichte der Frauen in Fürth“, Geschichtsverein Fürth/Bay., 2021

Zeichnung aus: Lehrbuch der Hebammenkunst, 1874

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Brandenburgische Hebammenordnung III

Eine Hebamme soll/muss bei Geburten:
– Tag und Nacht bereit sein, ohne Murren zu Gebärenden zu gehen. Auch wenn (junge) Kolleginnen um Hilfe bitten – dabei erkannte Fehler im Vier-Augen-Gespräch klären, nicht öffentlich anklagen.
– einer Geburt jeder anderen (privaten) Arbeit Vorrang geben
– mit den gebärenden Frauen geduldig, gewissenhaft, bescheiden und sanftmütig umgehen
– bei Ankunft prüfen, ob die Geburt überhaupt beginnt oder andere Schwangerschaftsprobleme vorliegen.
– sie darf keine Geburt forcieren oder gar erzwingen.
– mit den Frauen „fleißig beten“ und um Gottes Beistand für eine gut verlaufende Geburt bitten
– bei Komplikationen während oder nach der Geburt zwingend einen Arzt und evtl. Pfarrer rufen

Eine Hebamme soll/muss
– sich nach geglückter Geburt um Mutter und Kind so lange kümmern bis Folge-Komplikationen ausgeschlossen sind:
Nabelschnur professionell durchtrennen;
das Kind untersuchen, ob es gesund ist oder Hilfe braucht;
nach der Geburt der Frau so lange zu Hilfe sein bis sie sicher ist,
dass keine Nachblutungen oder Ohnmachten zu erwarten sind.
– bei Gefahr des Kindstodes für Nottaufen einen Pfarrer holen,
bei Zeitnot selbst taufen und hinterher beim Pfarrer anmelden
– Eltern von lebendgeborenen Kindern drängen, ihre Kinder sofort
zur Taufe anzumelden.
Bei Weigerung der Eltern muss sie diese anzeigen.
– uneheliche Kinder bei der Obrigkeit melden, ebenfalls „Missgeburten“
(also Kinder mit Behinderung)

Umgang mit Kolleginnen:
Sie soll sich mit den ortsansässigen Hebammen vertragen, friedlich und freundlich mit ihnen leben, kollegial zusammenarbeiten:
– diese z.B. um Vertretung bitten, wenn sie selbst gerade eine Geburt begleitet und eine zweite Geburt nicht annehmen kann –  statt ihre „Lehr-Tochter“ zu schicken
– nicht mit ihnen streiten
– ihnen nicht durch üble Nachrede deren (mögliche) Kundinnen abspenstig machen
– nicht neidisch und missgünstig sein
– in der Zusammenarbeit deshalb alles unterlassen und keine Informationen vorenthalten, was diesen oder den Gebärenden schadet

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Brandenburgische Hebammenordnung II

Der Hebammen-Beruf war im 18. Jahrhundert ein Lehrberuf mit Abschluss-Examen vor einem Arzt. Vorgeschriebene Ausbildung:
insgesamt 4 Jahre mit Praxis bei einem Chirurgen und einer „geschworenen“ Hebamme, Theorie bei einem Arzt.

Im (brandenburg-)ansbachisch regierten Teil Fürths galt die „Brandenburgische Hebammenordnung“ vom 29.04.1743 mit 43 Artikeln.

Diese Ordnung ist erstaunlich detailliert, was Umgangsformen angeht.
– Durchgängig Warnung vor (auch göttlichen) Strafen.
– Amtliche Kontrolle der Hebammen durch: Pfarrer, Arzt und Gemeindevertreter.
– Jährlicher Schwur auf diese Ordnung nach je neuerlichem Vorlesen.

Eine Hebamme soll/muss:
– mittleren Alters sein
– verheiratet (gewesen) sein und auch selbst schon ein Kind geboren haben
– gesund sein mit gesunden Gliedmaßen – kein (durch Krankheiten) entstelltes Gesicht haben
– überzeugte und vorbildliche Christin sein
– gute fachliche Kenntnisse haben, auch für Geburten mit Komplikationen
und dafür schon bei solchen assistiert haben
– bei Alltagsarbeiten darauf achten, dass sie „keine grobe, harte und ungeschickte schwere Hände bekomme“
– muss Tag und Nacht am Wohnort erreichbar sein.
Ausnahmen nur mit Erlaubnis „der Obrigkeit“

Eine Hebamme darf
– nur praktizieren nach Examen und Anstellung bei der Gemeinde
– keine Bezahlung während der Geburt oder von Mittellosen fordern
– keine okkulten Praktiken ausüben. Dafür auch keine Nachgeburten verkaufen
– keine Hausmittelchen bei Komplikationen verwenden oder verkaufen.
Nur der Arzt darf Arznei verschreiben.
– nicht abtreiben

Bezahlung:
Art. 38: Damit sie auch bei ihrem mühsamen Dienst besser auskommen können, so soll ihnen „eine ehrliche und gewisse Besoldung an Geld, Korn und Holz, jährlich gnädigst gereichet werden“.

Aber Aufgabe der Hebamme:
Sie sollte reichen Frauen jeweils eine so hohe Rechnung stellen, dass es für ihre Lebenshaltung reichte und sie armen Frauen kostenlos beistehen konnte.

Offensichtlich funktionierte dieses Besoldungs-Prinzip aber nicht gut! (siehe folgende Biografien)

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„Brandenburgische Hebammenordnung“ I

Der Hebammen-Beruf war im 18. Jahrhundert ein 4-jähriger Lehrberuf mit Abschluss-Examen.

Für den (brandenburgisch-)ansbachisch regierten Teil Fürths galt die „Brandenburgische Hebammenordnung“ vom 29.04.1743 mit 43 Artikeln.

Titel: „Verneuerte und vermehrte Brandenburgische Hebammen-Ordnung, des Fürstenthums Burggraffthums Nürnberg unterhalb Gebürgs“
Ort: Onolzbach; Verlag: Messerer; Erscheinungsjahr: 1743; Umfang: 41 S., [2] Bl.
[download über die „Bayerische Staatsbibliothek“ (BSB)]

Foto 1: Brandenburgische Hebammenordnung von 1743

Foto2: „Hebammen-Schul oder gründlicher Unterricht. Wie eine Hebamme gegen schwangere, kreistende und entbundene Weiber und deren Kinderlein, so wohl bey natürlichen und unnatürlichen Geburten, sich zu verhalten nebenst einem nützlichen Weiber- und Kinder-Pfleg-Büchlein. Und einer treuen Anführung, wie den meisten Kinder-Kranckheiten zu begegnen. Coburg 1715“