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Renate Müller

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geb. 24.10.1945, geb. Lindemann, Sonneberg

Schon ihre Familie stellte pädagogisch anspruchsvolle „reformpädagogische“ Spielwaren her. So ist es kein Wunder, dass sie nach Abitur und einer Maurerlehre Design an der Sonneberger „Fachschule für angewandte Kunst“ studierte. Ihre Lehrerin H. Haeusler begeisterte sie für die robusten (mit Holzwolle gestopfte) Rupfen-Tiere. („Rupfen“ = grobes Sackleinen)

Um 1970 heiratet sie und bekommt zwei Kinder.

Bis zur Verstaatlichung 1972 arbeitete sie in der elterlichen Werkstatt mit und stellte Rupfentiere her – groß, robust und strapazierfähig, geeignet für die Entwicklung der Sinne wie Tasten und Greifen.

Die Familie verliert ihre Markenrechte, die Werkstatt wird umbenannt in „VEB Therapeutisches Spielzeug“. Wie Haeuslers Spielzeug wird auch ihres ein Exportschlager, in der DDR nur an therapeutische Einrichtungen verkauft.

1967 wird sie Mitglied im „Verband Bildender Künstler der DDR“.

1982 – 1991 unterrichtet sie auch an der Ingenieurschule Sonneberg. Danach bis 1998 angehende Kindergärtnerinnen, und an der VHS Sonneberg. „Spielzeugdesign“.

Ab 1990 arbeitet sie als Selbständige. Sie erweitert ihren Arbeitsbereich, entwirft u.a. Spielplätze.

Nach der „Wende“ kauft sie die Markenrechte zurück und gründet „Spielzeug & Design“, Entwurfsatelier und Werkstatt

Sie wird Mitglied des Verbandes Bildender Künstler e.V./BBK, des Bundes Thüringer Kunsthandwerker e.V., des Vereins des Vereins „Fördern durch Spielmittel e.V.“ – Spielzeug für behinderte Kinder, Berlin.

Ihr therapeutisches Spielzeug, aus Naturmaterialien und handgefertigt wird weltweit (von den USA bis hin nach Japan) gehandelt – und gesammelt.
Ihr Spielzeug gilt heute als Designklassiker.

Sie gestaltet Ausstellungen, hält Vorträge.
Ihre Arbeiten finden sich in Schulen, in Therapieeinrichtungen, in vielen Museen.
Ihre Rupfentiere sind 2012 Teil einer Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art. Sie arbeitet mit einer New Yorker Galerie zusammen.

2016 beteiligt sie sich mit Teppichentwürfen an der 15. Biennale 2016 in Venedig.

Empfehlung: Weiterführende Links (Auswahl):

Stand: 03.2024

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Helene Haeusler

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26.8.1904, Metz, Lothringen
10.7.1987, Sonneberg, DDR

Häuslers beruflicher Werdegang und ihr Lebenswerk ist beeindruckend.

Sie lernte Haushaltsführung – studierte an der Kunstgewerbeschule Kassel (Textil) – wurde am Fröbel-Seminar Kassel Kindergärtnerin (Abschluss 1924) – hörte in Hamburg Vorlesungen in Kunstgeschichte– arbeitete nebenbei für ihren Lebensunterhalt.

Sie studierte an der Staatlichen Kunstgewerbeschule in München (Buch- und Gebrauchsgraphik). Parallel arbeitete sie dreidimensional und stellte Krippenfiguren und Puppen her.

1927 beginnt sie in Sonneberg in der Puppenfabrik von M. Eichhorn.1928 wechselt sie zur Spielzeug-Fabrik von C. & O. Dressel. 1931 kommt die von ihr entworfene Puppe „Heinerle“ auf den Markt, eine Puppe aus Stoff mit weichem Füllmaterial – nicht zu verwechseln mit Käthe Kruses Puppe.

1932 macht sich H. Haeusler selbständig. Sie bekommt (unverheiratet) eine Tochter.

Ihre Puppenproduktion bleibt wirtschaftlich erfolglos. So verdient sie ihren Lebensunterhalt bis 1954 mit Gelegenheitsarbeiten, als Haushälterin und Kinderfrau in Oberbayern.

Ab 1954 unterrichtet sie in Sonneberg als Lehrerin für Spielzeugdesign an der dortigen Fachschule für angewandte Kunst. Eine ihrer Schülerinnen war die später erfolgreiche Spielzeug-Designerin Renate Müller. Diese beschreibt H. Haeusler als eine vom Bauhaus beeinflusste Künstlerin, die einfache Formgebung und Naturmaterialien bevorzugte. So waren ihre gestopften Rupfentiere für alle Plüsch-Überzeugte eine Provokation.

Mit 61 Jahren Ruhestand (1965) – nur um mit ehemaligen Schülerinnen neu als Selbständige durchzustarten, eine Werkstatt zur Produktion therapeutischen Spielzeugs in Jena („Jenaspiel“) aufzubauen. Die Bürokratie verhinderte aber ihren Plan! Eine Sonneberger Firma produzierte schließlich ihr Spielzeug – es wird ein Verkaufs- und Exportschlager!

Mit 73 Jahren (1977) gründete H. Haeusler in Sonneberg eine Förderwerkstatt, in der geistig behinderte Menschen Puppen nähten und anderes Spielzeug anfertigten. Ein Vorbild für weitere Förderwerkstätten.

Weiterführende Links:

  • Helene Haeusler (wikipedia)
  • Helene Haeusler-Schule, Berlin (H. Haeusler)
  • Helene Haeusler wurde 1982 der Designpreis der DDR verliehen.
    Designpreis der Deutschen Demokratischen Republik (wikipedia)
  • Renate Müller, Glück im Spiel (Interview)
  • Seite über Renate Müller auf dieser Webseite

Stand: 03.2024

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Gräfin Jutta von Henneberg

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1298/1300, geb. Jutta von Brandenburg
† 1.02.1353, Coburg

Jutta, Gräfin von Henneberg-Schleusingen – Erbin der „Neuen Herrschaft“ („Neue Pflege“) Coburg-Schmalkalden

Sie heiratete 1314 ihren Vetter Heinrich VIII. von Henneberg-Schleusingen.

Von ihrer gleichnamigen Großmutter erbte sie die „Neue Herrschaft“ Coburg-Schmalkalden.

Nach dem Tod ihre Mannes 1347 teilte sie sich das gesamte Erbe mit ihrem Schwager Johann I. Sie regierte weiter als Eigentümerin der „Neuen Herrschaft“, mit welcher sie 1350 von Kaiser Karl IV. beliehen wurde.

Sie verlieh Sonneberg am 5.01.1349 das Stadtrecht.

1317 erwarb die „Grafschaft Henneberg“ die Burg Sonneberg der inzwischen ausgestorbenen Herren von Sonneberg. Gräfin Jutta verpfändete die Burg Sonneberg 1350 an ihren Schwiegersohn, den Burggrafen Albrecht den Schönen von Nürnberg. Als Teil der Pflege Coburg fiel die Burg Sonneberg 1353 an das Haus Wettin und wurde zum militärischen Stützpunkt.
Heute ist die Burg eine Ruine.

Gräfin Jutta hatte keinen Sohn. Deshalb erbten ihre Töchter ihre Besitzungen. Dadurch wurde die „Neue Herrschaft“ aufgeteilt.

Töchter – Aufteilung des Erbes:
1. Elisabeth von Henneberg-Schleusingen, Erbin von Irmelshausen ∞ Graf Eberhard von Württemberg
2. Katharina von Henneberg, Erbin von Coburg ∞ Friedrich der Strenge von Meißen
3. Sophie von Henneberg, Erbin von Hildburghausen und Schmalkalden († 1372) ∞ Albrecht der Schöne († 1361), Burggraf von Nürnberg
4. Anna von Henneberg, Äbtissin im Kloster Sonnefeld. Sie führte das Zisterzienserinnenkloster Sonnefeld zu einer unverhofften Blüte.

Weiterführende Links:

Stand: 02.2024

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Sophia von Weiß

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Nicht weit entfernt von der „Grube Minna“ war die „Grube Sophie“. Beide Gruben sind heute Teil des „GeoPfad Steinkohle“ im GeoPark Schieferland“ (Föritztal)

Auf der Seite des GeoPfads steht: „Am 15. Februar 1840 wurde Christian von Weiß ein weiteres Grubenfeld durch den Sachsen-Meininger Hof verliehen. Er gab ihm den Namen seiner Frau ‚Sophie‘.“

Offensichtlich handelt es sich um den erfolgreichen Textilunternehmer (1779 – 1850) und seine Frau Sophia, geb. Polex, geb. 1790 in Langensalza.

1824 errichtete Christian v. W. die erste mechanische Spinnerei Schweinas (OT von Bad Liebenstein) und setzte ab 1827 eine Dampfmaschine ein, die erste der Stadt. Weiß wurde 1836 als Ritter des Ernestinischen Hausordens geadelt. Die Steinkohlen-Grube kaufte er im Jahr der Hochzeit ihres gemeinsamen Sohnes.

Damit erschöpft sich das öffentliche Wissen über Sophia von Weiß und den Kauf der Grube.

Augenscheinlich interessierte sich weder damals noch heute jemand für Sophia von Weiß: Was war Sophias familiärer Hintergrund? Welche Bildung hatte sie? Was waren ihre Interessen? Interessierte sie sich für die Arbeitsbedingungen der Arbeiter*innen in den Spinnereien? Welchen Anteil hatte sie am unternehmerischen Erfolg ihres Mannes? …

weiterführende Links:

Stand: 02.2024

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GLASHÜTTE HENRIETTENTHAL

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Es fasziniert mich immer wieder von Neuem, wie viele Informationen ich als Ortsfremde zu Geologie, Pflanzen, Tiere, geschichtlichen, politischen, sozialen und städtebaulichen Verhältnissen erhalte – allein durch das Beschäftigen mit den Benennungen von Orten, Straßen, Sehenswürdigkeiten …
Wenig überraschend, wie viele Benennungen im Laufe der Zeit, trotz ständigen Gebrauchs, für die Benutzer*innen an inhaltlicher Bedeutung verlieren – und damit auch die Erinnerungen an die Namengeber …

Zusammengesetzte Ortsnamen mit „Hütte“ oder „Grub“ oder „Erzgebirge“, „Thüringisches Schiefergebirge“ u.a. zeigen im Oberfränkisch-Südthüringschen das Vorkommen einer Vielfalt an Bodenschätzen. Besonders bekannt und politisch, wirtschaftlich wichtig Uran, Schiefer, Eisenerz, Sand.

Franken ist „berüchtigt“ für seine politische Kleinstaaterei in früheren Jahrhunderten. Offensichtlich wurde hier Besitz meist an alle Söhne gleichmäßig verteilt und nicht auf einen Erben konzentriert. Einwohner kannten deshalb die „Herrschaften“ dieser Miniterritorien oft persönlich und hatten z.T. eine Beziehung zu einzelnen Mitgliedern des Hauses.


HENRIETTENTHAL ist ein ehemals selbstständiges Anwesen um eine ehemalige GLASHÜTTE in einem Seitental des Lauschatals (Hüttenprivileg vom 22.07.1720). Die Hütte wurde nach einer Prinzessin HENRIETTE des Hauses Sachsen-Saalfeld benannt.
Warum? War es eine Formalie? War die Prinzessin besonders „volkstümlich“? Kümmerte sie sich um Hilfsbedürftige, um Bergarbeiterfamilien? War sie, wie wir heute sagen würden, eine Influencerin? – Wer war sie überhaupt?
Ich fand keine Antworten.

Bergbau war und ist ein hartes und gefährliches Geschäft. Häufig bekamen deshalb Gruben, und Hütten Heiligennamen als Wunsch nach himmlischem Schutz. Es gibt heute auch Arbeiten mit Hintergründen dazu. Ich fand interessant, dass die meisten Bergwerksnamen aus der Zeit des 15. bis 19. Jahrhunderts stammen sollen.
Im Landkreis Sonneberg wurden Gruben und Hütten aber auch nach realen Frauen benannt.


Ich möchte diese Gruben und Hütten neben ihrem wirtschaftlichen Nutzen auch als Denkmäler für diese Frauen betrachten. Als eine andere Art von „Denkmal“ als wir es heute allgemein definieren.

Weiterführende Links:
Henriettenthal (wikipedia)
Sachsen-Coburg-Saalfeld (wikipedia)
Ernestinische Herzogtümer (wikipedia)
Glasbläserstadt Lauscha im Thüringer Wald (home)

Stand: 2.2024

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Hedwig Kost

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* 08.11.1871 (Steinach)
† 01.02.1949 (Sonneberg)

„Tante Hedwig“ ist bis heute eine gefragte Frau – in Sonneberg, Thüringen und darüber hinaus, obwohl sie schon so lange tot ist. Das von ihr geschriebene Kochbuch – mehrmals „leicht bearbeitet“ neu aufgelegt – wird bis heute gekauft.

Im Internet finden sich nur minimale Informationen über sie: dass sie zur Schule geht und dass sie Köchin wird.

Irgendwann wird sie Lehrerin an der städtischen Kochschule von Sonneberg.

1929 wird sie Leiterin dieser Kochschule (1887 gegründet).

1913 erscheint ihr über 300-seitiges „Kochbuch“: Rezepte der Kochschule in Sonneberg i. Thür. Das Kochbuch gliedert sich in Haushaltsführung, Nahrungsmittellehre, Kochanweisung, Küchenzettel und Speisefolge, dazu die Kunst des Tischedeckens.

Schon 1935 erscheint die fünfte Auflage des „Kochbuches“.

2009 die 4. Auflage der Neuausgabe von 1990.

Die Stadt Sonneberg ehrt sie mit einer Straßenbenennung: Hedwig-Kost-Straße.

weiterführende Links:

  • ihr Kloßrezept aus wikibooks
  • Bedeutende Persönlichkeiten der Stadt Sonneberg (link)
  • Deutsche Nationalbibliothek (link)
  • Eine kurze Geschichte des deutschen Kochbuches (yumpu)

interne Links:

  • Landkreis Sonneberg – Straßen, Wege, Plätze u.ä. (link)

Stand: 01.2024

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Katalin Karikó

Text

Text
Sie studierte Biochemie an einer der größten Universitäten in Ungarn, in Szeged. Das Studium schloss sie mit einer Doktorarbeit ab. Anschließend forschte sie weiter an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften.
Ihr Forschungsgebiet ist seit ihrer Doktorarbeit die RNA (Ribonukleinsäure). Diese ist bei bestimmten Viren (z.B. den CORONA-Viren) Träger derer Erbinformationen. Diese lösen bei Tieren und Menschen eine Reaktion des Immunsystems aus. Karikós Fragestellung: wie kann man diese Immunreaktion unterdrücken?

1985 wandert sie mit Mann und Tochter in die USA aus.
Sie forscht dort weiter an der University of Pennsylvania. Zusammen mit dem Immunologen Drew Weissman findet sie heraus, wie man die Immunreaktion unterdrücken kann. Sie veröffentlichen ihre Ergebnisse 2005!
Sie forschen nun weiter an der Entwicklung von Medikamenten auf mRNA-Basis. DIE BASISforschung für die spätere Entwicklung des CORONA-Impfstoffes.

Karikó verliert ihre Uni-Stelle, weil es ihr nicht gelang, Drittmittel für ihre Forschung einzuwerben. Die Uni verkauft ganz legal „ihr“ Patent.
Der Harvard-Professor Derrick Rossi greift ihre Technologie auf, gründet 2010 die Firma „Moderna“ und entwickelt die Technologie weiter zum bekannten „Moderna-Impfstoff“ gegen Corona.
Sie selbst zieht weiter nach Deutschland.
Sie wird „Senior Vice President“ bei BioNTech, einem Unternehmen, das 2020 einen mRNA-basierten Impfstoff gegen COVID-19 entwickelte. – Jetzt etwas zu Corona oder den Impfstoffen zu schreiben wäre „Eulen nach Athen tragen“, oder?

September 2022 zieht sie zurück nach Ungarn.
Seitdem ist sie Professorin an ihrer ehemaligen Universität Szeged – und, welche Ironie, „Adjunct Professor“ der Perelman School of Medicine an der University of Pennsylvania.
Ihre Liste an renommierten Preisen und Auszeichnungen ist lang.
On top erhält sie zusammen mit Prof. Drew Weissman 2023 den „Nobelpreis für Physiologie oder Medizin“.

weiterführende Links (Auswahl)

Stand: 01.2024

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Biografien blog Themen 2024 blogt Kochbuch

Henriette Davidis

Johanna Friederika HENRIETTE Katharina DAVIDIS
* 1. März 1801 in Wengern, NRW
† 3. April 1876 in Dortmund, NRW

H. Davidis hat eine für ihre Zeit ungewöhnliche Biografie, und definitiv eine, die nicht zu der von ihr propagierten und bedienten bürgerlichen Schicht passte.
Geboren in eine Pfarrfamilie – als Jugendliche lebte sie für zwei Jahre bei ihrer verheirateten Schwester im Schloss von Schwelm, sie besuchte dort die „höhere Töchterschule“ – zwei Verlobte sterben vor einer Eheschließung – sie bleibt zeitlebens ledig.
Sie unterstützte die Familie ihrer Schwester und ihre verwitwete Mutter. Nach deren Tod arbeitet sie als Erzieherin und Gouvernante.

1844 veröffentlicht sie ihr „Praktisches Kochbuch“ (2. Aufl. 1845, 3. Aufl. 1846, 4. Aufl. 1848, …). Viel später beklagte sie sich darüber, dass der herausgebende Verlag ihre geschäftliche Unerfahrenheit heftig zu seinem Gunsten ausgenutzt und sie am finanziellen Erfolg ihrer Veröffentlichungen nicht angemessen beteiligt hat. Einige Werke, wie z.B. 1856 „Puppenmutti Anna“, veröffentlichte sie deshalb auch bei einem anderen Verlag. Erst rund 16 Jahre vor ihrem Tod bekam sie so viel Bezahlung, dass sie sich eine eigene Wohnung mieten konnte.

Der Erfolg des Kochbuchs inspirierte HENRIETTE DAVIDIS zu weiteren hauswirtschaftlichen Grundlagen-Büchern (Haushalt samt Gemüsegarten) für Kinder und junge Frauen des Bürgertums.
Sie gilt ab den 1860ern als hauswirtschaftliche Autorität. Und so bekommt sie Werbeaufträge für Geräte- und Produkt-Neuheiten. Sie macht in ihren Büchern, wie wir heute sagen, „Produktplacement“, wie weit bezahlt oder unbezahlt ist heute unbekannt.
Sie ist die erfolgreichste und bekannteste Kochbuchautorin des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts – auf jeden Fall in Westfalen. Wie weit in anderen Regionen Deutschlands? Schwer zu sagen. Was damals im Ausland bekannt und verbreitet wird, hängt ja auch immer von der Heimatregion der jeweiligen Auswanderer ab. – Gehen Sie z.B. mal in den USA „deutsch“ essen. Echt? Das ist „deutsch“? Ja, geprägt von Auswanderern einer bestimmten Region Deutschlands!

In Milwaukee/USA wurde das Buch 1879 „für die Deutschen in Amerika“ auf Deutsch herausgegeben: „Vermehrt und verbessert durch Aufnahme von Recepten zu den in Amerika landesüblichen Speisen, Backwerken etc., und durch Uebertragung des deutschen in amerikanisches Maß und Gewicht, sowie durch Hinzufügung eines Speisezettels für Kranke aller Art“.
Auf jeden Fall gab es Übersetzungen ins Englische, Dänische, Niederländische und Französische.
Nach Davidis Tod „überarbeiteten“ und erweiterten viele weitere Autor*innen ihr Kochbuch, veröffentlichten Raubkopien. Erst die offiziellen Neuauflagen ab 1990 halten sich wieder eng an die Erstausgabe.

Sie pflegen gezielt Davidis Erbe:
a) Die „Henriette-Davidis-Gesellschaft e.V.“ fördert das „Deutsche Kochbuchmuseum“ in Dortmund mit dessen wissenschaftlicher und museumspädagogischer Arbeit.
b) Das Henriette-Davidis-Museum der Stadt Wetter (Ruhr) mit Davidis-Büchern und Themen des biedermeierlichen Lebens.

weiterführende Links:

Stand: 01.2024

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Biografien blog Themen 2024 blogt Kochbuch

ANNA MARGARETHE BERGNER

geb. Marx
geb. 28.7.1800, Trier; gest. 22.4.1882, Bad Dürkheim

Nein, ich konnte sie nicht aussparen – obwohl ich sie ursprünglich nicht vorstellen wollte: „DIE SCHÖNE ANNA“, Wirtin und „begnadete Küchenmeisterin“. Ihr gehörte zusammen mit ihrem Mann das in Bad Dürkheim eröffnete Hotel „Vier Jahreszeiten“. Erste Adresse für königliche Gäste, berühmte Künstler und „das feine bürgerliche Publikum“.

Aber wann findet man schon in jenen Tagen eine so erfrischend und selbstverständlich selbstbewusste Frau. Zeitgenossen beschrieben sie als „emanzipiert, charismatisch und kultiviert“.

Über sie existieren viele Anekdoten.
Z.B. lud sie 1843 in einer Anzeige nur in eigenem Namen zu einem Konzert mit Ball ein. Dies führte zu süffisanten Nachfragen, z.B. ob denn ihr Mann „schreib‑, mund‑ oder gar mausetodt“ sei.


Ihr „Pfälzer Kochbuch. Eine Sammlung von 1002 praktisch bewährten Kochrecepten aller Art, begründet auf 30-jährige Erfahrung – den deutschen Frauen und Töchtern gewidmet“ gibt sie nach ihrer Hotel-Zeit 1858 heraus.
[Reprint Edition Forsthaus Weilach 1, Auflage 1997; Neuausgabe 2008, pro Message Verlag; 2017 Taschenbuch-Nachdruck des Originals von 1858]

Anmerkung der Verfasserin 1858:
„Wegen des [Kochbuch]Titels … kann ich zur Rechtfertigung nur anführen, daß die Pfalz, als das Paladium des d e u t s c h e n  R e i c h e s, als die Perle an der deutschen Kaiserkrone betrachtet wurde, – daß sie zur Zeit der deutschen Reichsherrlichkeit mit den schönsten Schlössern und reichsten Klöstern erfüllt war … auch die feinste Küche gefunden wurde und die ausgebildete Kochkunst heimisch war, die bis zur Gegenwart, ja auf die spätesten Enkel des lebensfrohen pfälzischen Volksstammes sich vererbt hat.“

Kochbuch Einleitung 1858:
„… Ich kann es nämlich mit großer Bestimmtheit behaupten, daß oft durch die Unkenntniß einer Hausfrau im Kochen manches eheliche Glück gestört wird, während sich eine im Kochen wohl erfahrene Hausfrau die Achtung und Liebe ihres Gemahls in erhöhtem Maße erwirbt. Auch dem Gesinde gegenüber ist dies einer Haufrau von Nutzen, da sie oft ihre Dienstboten nur deßhalb länger behält, weil diese glauben, bei ihr Etwas lernen zu können.

Zuerst muß ich Reinlichkeit als die schönste Zierde einer Köchin hervorheben. …

In Bezug auf die Kochrecepte bemerke ich Folgendes: Als Maaß gebrauche ich den rheinbayerischen Schoppen (1/2 Liter). …“

Es folgen Empfehlungen für gutes Geschirr, welche Lebensmittel und Gewürze als Basis vorhanden sein müssen, welche Themen sie behandelt, u.a. auch Resteverwertung.

Auf ihre Schildkröten-Suppe verzichte ich gerne, aber ihre Mandelmilch-Suppe klingt gut. Das Rezept erinnert mich an die indische ‚dicke Kokosmilch‘:

Im Heimatmuseum Bad Dürkheim „serviert sie“ heute auf Knopfdruck virtuell Saumagen und Kartoffelsuppe.

Rezept Mandelmilch-Suppe:

weiterführende Links:

  • Biografie (link)
  • Heimatmuseum Bad Dürkheim (link)
  • „Bad Dürkheim Schöne Anna kocht auf Knopfdruck“, 21. Mai 2019 (link)
  • „Rheinland-Pfalz Aal von der schönen Anna“, 08. Dezember 2018 (link)
  • Anna Bergner: Pfälzer Kochbuch: Eine Sammlung von 1002 praktisch bewährten Kochrecepten. Mannheim 1858 (download möglich)
    Hinweis: bei vielen Titeln steht „Iraktisch“. Das ist ein Druckfehler und heißt eigentlich „Praktisch“.
  • Anna Bergner: Anna Bergner’s Kochbuch: Quintessenz der rheinischen Kochkunst. Für bürgerliche Haushaltungen. Mannheim 1870

Stand: 01.2024

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Biografien blog Themen 2023 blogt Kochbuch

ANNA SOPHIA WILHELMINA (Wilhelmine) SCHEIBLER

geb. Koblanck
geb. ca. 1750; gest. vor 1829

Sie war Tochter eines Amtschirurgen (Chirurg = nichtakademischer Arzt!).
Sie war mit dem Berliner Kaufmann B. W. Scheibler verheiratet. Sie hatten 5 Söhne.
Mehr Biografisches ist über sie selbst nicht bekannt.

Scheiblers Kochbuch (Erstauflage1815) gilt für den Brandenburger Raum als genauso wichtig, erfolgreich und berühmt wie später das der Henriette Davidis in Westfalen. Um 1850 herum hatte es eine Auflage von 150.000 Exemplaren. 1927 gab es die 47. Aufl., nach Pause 1977 die 48. Aufl. – Raub-Nachdrucke nicht gezählt!

Titel: „Allgemeines deutsches Kochbuch für bürgerliche Haushaltungen oder gründliche Anweisung, wie man ohne Vorkenntnisse alle Arten Speisen und Backwerk auf die wohlfeilste und schmackhafteste Art zubereiten kann.
Ein unentbehrliches Handbuch für angehende Hausmütter, Haushälterinnen und Köchinnen.“

Im Vorwort wird breit ausgeführt: Das Wichtigste sind Sauberkeit, Ordnung, Geduld.

KLASSIFIZIERUNG der KOCHKUNST in Scheiblers „Vorerinnerungen und Bemerkungen“ (in der 4. Auflage 1845) – in Auszügen, mit meiner Großschreibung:

„Die KOCHKUNST lässt sich in DREI KLASSEN einteilen.
Die erste derselben bildet die KÜNSTLICHE = HERRSCHAFTLICHE: d.h. Zubereitung aller feinen Sachen, Flügelwerks und aller schwierigen Zusammensetzungen … Sache der dazu angestellten KÖCHE

Die zweite Klasse für den HÖHEREN WOHLSTAND: auch herrschaftlich, doch in einem minder hohen Grade … Eine gute KÖCHIN sieht schon mehr auf Ökonomie …

Die dritte Klasse bildet die BÜRGERLICHE KOCHKUNST … Hier sieht man hauptsächlich auf den GESCHMACK … Gleichzeitig begreift diese Klasse die der MITTELSTÄNDE und die der GUTEN HAUSMANNSTISCHE … Anordnung der klugen HAUSFRAU .., die nach dem Geschmacke und den Verhältnissen des HAUSHERRN sich einzurichten natürlich für Pflicht hält.

In Betreff der unbemittelten Volksklasse, welche sich einer strengen Ökonomie unterwerfen und nur dieser nachleben muss, lässt sich, in Hinsicht der Kochkunst, weiter nichts sagen.“

weiterführende Links:

  • Sophie Wilhelmine Scheibler (wikipedia)
  • „Allgemeines Deutsches Kochbuch für alle Stände …“ 1835
    (download möglich)
  • „Allgemeines Deutsches Kochbuch für alle Stände …“ 1845
    (download möglich)
  • „Allgemeines Deutsches Kochbuch für alle Stände …“ 1887
    (download möglich)
  • Virtuelles Kochbuchmuseum (link)
  • Ahnentafel (link)
  • Uralte Kochrezepte sind nicht zeitgemäß (Frag-Mutti)
  • Hinweis: Das erste Kochbuch für Arbeiterfrauen „Das häusliche Glück“ wurde 1881 von der AWO herausgegeben (download möglich) und wurde innerhalb eines Jahres ein Bestseller.

Stand: 12.2023