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Xanthippe

3 Frauen – 3 Länder – 3 Zeiten – 1 Problem: über Jahrhunderte dauernde üble Nachrede

Die „Älteste“: Xanthippe
Lebensdaten sind von ihr nicht überliefert. Man muss diese ableiten von den Lebensdaten ihres Mannes, dem griechischen Philosophen Sokrates (469–399 v. Chr.)

Sie steht sprichwörtliche für die „böse“ Ehefrau, übellaunig, streitsüchtig und unerträglich, die dem Ehemann das Leben schwer macht und damit „aus dem Haus treibt“.
Die Quellen? Vorrangig die Freunde und Anhänger des Sokrates.

Sokrates musste durch ein Erbe keinem Erwerbsberuf nachgehen und konnte sich voll der Philosophie hingeben. Seine Freunde und Schüler profitierten nicht nur davon, sondern auch von seiner finanziellen Großzügigkeit.
Xanthippe und Sokrates hatten zusammen drei Söhne. Dass Xanthippe als Verantwortliche für „Haus und Hof“ den sorglosen und verschwenderischen Umgang ihres Mannes mit Geld nicht gut hieß, ist nachvollziehbar. Dass sie ihm deswegen Vorwürfe machte, auch. Und dass die Freunde auf Xanthippe sauer waren, auch.

Wir sollten fairer mit ihr umgehen und das einseitige Bild damit ergänzen:
ein wesentlich unbekannterer Erzählstrang beschreibt sie als selbstbewusste Frau, als ebenbürtige Gesprächspartnerin ihres Mannes, als hervorragende Hausfrau und als „vorbildliche, geduldige Ehefrau“.

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Agnes Dürer

3 Frauen – 3 Länder – 3 Zeiten – 1 Problem: über Jahrhunderte dauernde üble Nachrede

Die „Mittlere“: Agnes Dürer, geb. Frey, in Nürnberg
(1475 – 1539)
Die wichtigen Patrizierfamilien Haller und Rummel gehören zu ihren Vorfahren. Ihre Familie gehört zu den Kaufleuten, zum unternehmerischen Mittelstand.
Ebenfalls zum unternehmerischen Mittelstand gehört die Familie Dürer, als Handwerkerfamilie im Sozialgefüge leicht niedriger angesiedelt.

Agnes und Albrecht führen eine insgesamt glückliche und typische Handwerkerehe. Er ist für die Herstellung der Kunst zuständig. Er macht Reisen, um sich künstlerisch weiter zu bilden. Sie ist im weitesten Sinn Geschäftsführerin der „Firma Dürer“, zuständig für die Organisation der Künstlerwerkstatt und für den Verkauf von Dürers Werken. Dafür ist auch sie viel auf Reisen und eine geschätzte und erfolgreiche Vermarkterin der Werke ihres Mannes. Ob es wohl ihre Idee war, dass Albrecht seine Werke mit dem Monogramm AD kennzeichnete?

Die üble Nachrede beginnt zwei Jahre nach Albrechts Tod.
Willibald Pirckheimer, ein guter Freund Albrechts, war wütend, dass Agnes ihm nicht ein Hirschgeweih gab, das ursprünglich Albrecht gehörte. Er schrieb in einem Brief, dass Agnes Albrecht so schlecht behandelt hat, dass dies mit zu seinem frühen Tod beigetragen hat. Eine Kopie dieses Briefes startete eine Entwicklung im Prinzip der „Stillen Post“. Und so wird Agnes zur unfähigen, zänkischen, geizigen, …, unangenehmen Frau – einer „Xanthippe“ -, die (den im Laufe der Zeit immer mehr idealealisierten) Albrecht das Leben schwer machte.

Auch bei ihr gilt: Erst in neuester Zeit gibt es Forschungen und Arbeiten, die die Vorwürfe relativieren bzw. ausräumen.
Immerhin gibt es in Nürnberg eine nach ihr benannte Agnesgasse (1828) und eine Agnesbrücke (1894).
Vorschlag von der Kunstaktion „Die UNsichtbare“: ein Denkmal für sie am Nürnberger Fünferplatz.

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Maria Eleonora von Brandenburg

3 Frauen – 3 Länder – 3 Zeiten – 1 Problem: über Jahrhunderte dauernde üble Nachrede

Die „Jüngste“: Maria Eleonora von Brandenburg (1599 – 1655)
Ehefrau von König Gustav II. Adolf von Schweden (1594 – 1632)

Maria Eleonoras familiäre Linie lässt sich bis zu den fränkischen Markgrafen in Ansbach zurückverfolgen. Gustav II. Adolf war der sechste König aus der Familie der Wasa. Beide sind lutherisch.

Selten genug im damaligen Adel: Er will sie – sie will ihn. Gegen den Widerstand ihres Vaters und Bruders, die den polnischen katholischen König Sigismund III. Wasa bevorzugen, heiraten sie am 25. November 1620. Ende gut, alles gut!
Aber wie in allen Märchen, endet hier das Märchen!

Die Auseinandersetzung des protestantischen Königs mit den katholischen Habsburgern um die Ausweitung ihrer Macht, religiös wie säkular, bekannt als 30-jähriger Krieg (1618 – 1632), „begleitete“ ihre Ehe. Maria Eleonora hatte mehrere Fehlgeburten, Kristina blieb ihre einzige Tochter.

U.a. wegen ihrer berechtigten Angst um ihren Mann galt sie bei den Militärs als Sensibelchen, depressiv und hysterisch. Leider nannte ihr Mann sie auch wenig charmant „mein Hauskreuz“.

Nach dem Tod des Königs sah der schwedische Hochadel seine Chance, seine Macht auszudehnen und diffamierte Maria Eleonora , die ungeliebte Ausländerin, als oberflächlich, launisch, verschwenderisch … Die Rufschädigung hatte Erfolg.
Sie verlor die Vormundschaft und Erziehung ihrer Tochter. Ihre Korrespondenz wurde überwacht.

Sie floh 1640 nach Dänemark und lebte dort bis 1648 im Exil.
Danach kehrte sie zurück zu ihrer Tochter nach Stockholm.

Erst in neuester Zeit gibt es Forschungen und Arbeiten, die die Vorwürfe relativieren bzw. ausräumen.

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§ 186 üble Nachrede

Die meisten Leute dürften allgemein der Meinung sein, dass „üble Nachrede“ (§ 186), „Verhetzende Beleidigung“ (§ 192a) und Ähnliches nicht sein darf und zu Recht bestraft wird.

Warum also verwenden und tradieren wir heute immer noch mündlich und schriftlich, meist gedankenlos, z.T. jahrhundertealte negative Stereotypen, ehrverletzende und verhetzende Beleidigungen, Verleumdungen …? – sei es in Bezug auf Einzelpersonen, sei es in Bezug auf Gruppen und Völker. Wir müssen allein nur unsere Redewendungen analysieren …
Weil wir dafür nicht konkret bestraft werden (können)? Weil wir uns dadurch moralisch besser, überlegener, intelligenter fühlen? Weil wir dadurch Macht demonstrieren? Weil sie uns einen Vorwand liefern, Gewalt auszuüben? …?

Im Folgenden drei Frauen aus verschiedenen Jahrhunderten, die zu Lebzeiten bewusst einseitige, herablassende, üble Nachrede bzw. Verleumdungen erdulden mussten – bis heute ungezählte Male und unhinterfragt wiederholt – offensichtlich unausrottbar. Oder gibt es Hoffnung?

§ 186 „Üble Nachrede“:
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

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Helene Wessel

1898 – 1969

Ihre kaufmännische Ausbildung und ihre mit Diplom abgeschlossene Weiterbildung zur Jugend- und Wohlfahrtspflegerin prägen zusätzlich zu ihren religiösen Überzeugungen (röm.-kath. Zugehörigkeit) zeitlebens ihre politische Arbeit.

1919 Eintritt in die Zentrumspartei.

1928 jüngstes Mitglied des Preußischen Landtags (mit weiteren acht Frauen in ihrer Fraktion)

Verweigert 1933 die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz, galt als „politisch unzuverlässig“. Berufstätigkeit während der NS-Zeit in katholischen Einrichtungen.

1945 beteiligt an der Neugründung der Zentrumspartei. Ihr Schwerpunkt: Bildungs- und Kulturpolitik.

ab 1946 Hrsg. des Neuen Westfälischen Kuriers (bis 1949 Geschäftsführerin)

Bereits im Februar 1946 Mitglied des Zonenbeirats der britischen Besatzungszone.

1948 Vertreterin des Zentrums im Parlamentarischen Rat. Dort kämpfte sie für ein stark verankertes Elternrecht, eine starke sozialstaatliche Ausrichtung, ein reines Verhältniswahlsystem, die Aufnahme von Volksbegehren und Volksentscheid und mehr Unabhängigkeit der Mandatsträger vom Parteieneinfluss.

„Die ihrer Auffassung nach unzureichende Berücksichtigung christlicher Wertvorstellungen und das Fehlen betont sozialstaatlicher Grundrechte veranlassen sie, das Grundgesetz bei der Schlussabstimmung vom 8. Mai 1949 abzulehnen.“ (bpb)

Bemerkenswert: Auf dem Zentrums-Parteitag 1948 in Recklinghausen setzte Wessel einen 20%-Anteil von Frauen im Hauptvorstand durch und forderte sichere Listenplätze für die Kandidatinnen. Sie selbst wird 1949 Vorsitzende der Zentrumspartei.

Sie verlässt 1952 die Partei und gründet – wegen ihrer rigorosen Ablehnung der Wiederbewaffnung Deutschlands – mit Gustav Heinemann, Johannes Rau und anderen – die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP). Ein weiteres elementares Ziel: ein wiedervereinigtes, neutrales Deutschland.
Die GVP hatte keinen Bestand. Sie wechselt zur SPD.

1957 – 1969 Bundestagsabgeordnete der SPD.

Ehrungen:
1965 Bundesverdienstkreuz

In verschiedenen Städten sind Straßen und Wege nach ihr benannt, z.B. der Helene-Wessel-Bogen in München.

2021 wollte die Stadt Bornheim eine Straße nach ihr benennen. Dortmund veröffentlichte eine Ausschreibung für ein Denkmal.
Diese Vorhaben brachten einen bisher wenig bis gar nicht beachteten und diskutierten Aspekt ihres Lebens ins „Rampenlicht“, der den Plan der Straßenbenennung in Bornheim kippte. In Dortmund ist die Diskussion offensichtlich bis heute noch nicht beendet: Helene Wessel „soll das Bewahrungsgesetz unterstützt haben. Ziel dieses Gesetzes war die Verbesserung des biologischen Erbguts der Menschen. So war für Menschen, die nicht der Norm entsprachen (z.B. Alkoholiker, Obdachlose, Prostituierte) eine Zwangseinweisung angedacht.“ (nordstadtblogger.de, 09.08.2021 )

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Dr. h. c. Helene Weber

1881 – 1962

Als Zentrums-Abgeordnete saß Dr. h. c. Helene Weber (1881 – 1962) bereits in der Weimarer Nationalversammlung.

Als dunkel-dunkler Fleck auf ihrer sonst sehr anerkennenswerten Lebensleistung bleibt, dass sie sich trotz eindeutig gegenteiliger Meinung dem Druck ihrer Kollegen beugte und am 24. März 1933 dem Ermächtigungsgesetz zustimmte.

Ab 1945 Mitglied der CDU. 1948 Mitbegründerin und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Frauen der CDU/CSU (einer Vorläuferin der heutigen Frauen Union). Von 1951 bis 1958 war sie deren Vorsitzende. Sie galt als „einflussreichste Frau der Union“:

1946 Mitglied des ersten ernannten Landtags von Nordrhein-Westfalen, ab 1947 des Zonenbeirats der Britischen Zone.

Im Parlamentarischen Rat gehört sie als Schriftführerin dem Präsidium an.

Als Mitglied des Ausschusses für Grundsatzfragen war ihr besonders wichtig: Kulturpolitik, Regelungen zu Ehe und Familie, Gleichberechtigung der Geschlechter (schloss sich hier Friederike Nadig an).

In der Bundesrepublik:
1949-1962 Mitglied des Deutschen Bundestags, seit 1950 in der Beratenden Versammlung des Europarats, seit 1955 in der Versammlung der Westeuropäischen Union. 1950-1958 Vorstandsmitglied der Internationalen Liga der Katholischen Frauenverbände. Seit 1952 Vorsitzende im Kuratorium des Deutschen Müttergenesungswerks.
Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass Konrad Adenauer erstmalig die Leitung eines Ministeriums einer Frau übertrug (1961 an Elisabeth Schwarzkopf)

Ihr Glaube (röm.-kath.) prägt ihren Berufsweg, ihr soziales und politisches Engagement, ob als Lehrerin, in beruflichen und ehrenamtlichen Leitungsaufgaben, in der Verbandsarbeit oder als Politikerin.
Gerne zitiert wird ihr Ausspruch: „Der reine Männerstaat ist das Verderben der Völker.“

Ehrungen: 1956 Großes Bundesverdienstkreuz, 1961 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband.

Bundesweit sind Straßen und Plätze nach ihr benannt.

Das Helene Weber Kolleg stärkt und vernetzt Politikerinnen und alle, die es noch werden wollen.

Seit 2009 würdigt und stärkt der Helene Weber-Preis (überparteilich) ehrenamtliche kommunale Mandatsträgerinnen, die sich durch herausragendes Engagement hervorgetan haben.

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Friederike Nadig

1897 – 1970

Nach der Volksschule (damals verdiente diese Schulart noch diesen Namen) machte Friederike Nadig (1897 – 1970) eine kaufmännische Lehre und arbeitete danach als Verkäuferin. Danach Weiterbildung und Staatsexamen zur Wohlfahrtspflegerin. – Ehrenamtlich engagierte sie sich in der AWO.

1913 trat sie in die Sozialistische Arbeiterjugend ein, 1916 in die SPD.

1930 – 1933 Mitglied des Westfälischen Provinziallandtags.

Ab März 1933 Berufsverbot in der Stadt Bielefeld. Ab 1936 Berufstätigkeit im Kreis Ahrweiler.

1946-1966 Geschäftsführerin der AWO Ostwestfalen (Bielefeld).

1946-1948 Für die SPD Mitglied des Zonenbeirats für die Britische Besatzungszone.

1947-1950 Mitglied des Nordrhein-Westfälischen Landtags.

1948 arbeitete sie im Parlamentarischen Rat am Entwurf des Grundgesetzes mit.
Sie kämpfte insbesondere für gleiche Rechte von Mann und Frau, Lohngleichheit, rechtliche Gleichstellung von unehelichen und ehelichen Kindern, Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung.

1949-1961 Mitglied des Deutschen Bundestags.

Ehrungen: 1961 Großes Bundesverdienstkreuz, 1970 Marie-Juchacz-Plakette der Awo.

In verschiedenen Städten sind Straßen nach ihr benannt, in Bielefeld ein Seniorenheim.
Ihr Vermögen ging in die „Frieda-Nadig-Stiftung“ ein., die Altenheimbewohnern die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen ermöglichen soll. Im November 2021 wurde in Herford ein Frieda-Nadig-Denkmal enthüllt. Die Bronze-Plastik wurde von der Herforder Künstlerin Asta Gröting (* 1961) entworfen und in einer Berliner Gießerei gegossen.

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Dr. Elisabeth Selbert

1896 – 1986

Ein Rat an Alle, die meinen, dass Ihre Stimme nichts zählt, dass sie als Einzelne nichts bewirken können: Lassen Sie sich von Dr. Elisabeth Selbert (22.09.1896 – 09.06.1986) beflügeln!

Ihr, einem bildungsbenachteiligten Mädchen (geb. 22.09.1896), war nicht in die Wiege gelegt worden, dass sie eines Tages in Jura promovieren würde. Auch nicht, dass es einmal ihr zu verdanken ist, dass im Grundgesetz der Bundesrepublik von Anfang an der kurze, aber wirkungsmächtige Satz steht: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ (Artikel 3 GG)

Nur ihrer Überzeugung und ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass sie die drei weiteren „Mütter“ von der Wichtigkeit dieser Formulierung überzeugen konnte. Und danach bedurfte es noch einmal viel Engagement und Zeit, um viele weitere solidarische Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu gewinnen, damit dieser „imperative Auftrag an den Gesetzgeber“ im Grundgesetz verankert werden konnte.

Trotzdem und bedauerlicherweise ist dieser Auftrag noch nicht voll erfüllt.

Wo stünden wir aber heute alle da – Frauen wie Männer – ohne Dr. Selbert?

Ehrungen: 1956 Großes Bundesverdienstkreuz, 1978 Wilhelm-Leuschner-Medaille

Viele Straßen der BRD, z. B. auch in Nürnberg, und der Elisabeth-Selbert-Preis (seit 1983 von der Hessischen Landesregierung verliehen) erinnern an sie.

Die Elisabeth-Selbert-Initiative des Auswärtigen Amts (eingerichtet am 8.06.2020) bietet gefährdeten Menschenrechtsverteidiger*innen „Schutz und Perspektiven“..

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Parlamentarischer Rat 1948/49

Wer hat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland formuliert?

Im besten Fall lesen Sie: die 65 Mitglieder des von September 1948 bis Juni 1949 in Bonn tagenden Parlamentarischen Rates …

Viel wahrscheinlicher begegnet Ihnen aber in vielen Texten diese Formulierung: „Die Väter des Grundgesetzes“ …

Zeitzeugen hatten ziemlich sicher vor ihrem geistigen Auge noch Bilder der Versammlung, in denen die „mitgemeinten“ Frauen die homogene Männerversammlung bildlich unterbrachen.

Heute, rund 72 Jahre später: an wen denken Sie spontan (!) bei den Begriffen: „Mitglieder“, „Väter“?

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Es läuft (noch) nicht rund

Der Diskussionen sind kein Ende und die Emotionen kochen teilweise ziemlich hoch, wenn es heutzutage darum geht, wie man biologische männliche/weibliche/diverse Identität in deutschsprachiger (nicht nur BRD-deutscher!) Grammatik darstellt.

Dabei entwickelt sich Sprache, wie eh und je, ohne Unterbrechung fort – gleichzeitig, und doch in sehr unterschiedlichem Tempo und in unterschiedliche Richtungen in den verschiedenen Alters-, Gesellschafts-, Orts-, Ländergruppen und was es sonst noch an Gruppen gibt.

„Was unterscheidet die Deutschen am meisten? Die deutsche Sprache!“
Diese humorvolle Beschreibung kann man durchaus für den ganzen deutschen Sprachraum anwenden – ein Sprachraum, in dem sich ganz offiziell Schreiben und Sprechen unterscheidet/unterscheiden darf. Ein Sprachraum, in dem es nur für die Schulen feste Lernvorgaben gibt, für alle anderen Personen und Organisationen „nur“ Richtlinien, die sich an den statistischen Erkenntnissen des DUDENS anlehnen.

Wie sagt Alt-OB U. Maly: (NN 27.09.2021) „… wissen wir, dass Sprache zwar allgemeinen Regeln genügt, aber etwas sehr Individuelles sein kann.“

Wir schlagen uns nur allzu gerne in hitzigen schwarz-weiß-Diskussionen diese Themen um die Ohren: Beeinflussen sich Sprache, Denken und Handeln gegenseitig? Nicht nur: dürfen, können, sondern: müssen biologische Identitäten im grammatikalischen Geschlecht sichtbar sein – oder auch nicht?

Und wo bleiben die Grautöne?