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Justine Siegemund(in), 1636-1705

geb. Dittrich
* 26. Dezember 1636 in Rohnstock – damals Niederschlesien, Königreich Preußen, heute polnisch ‚Roztoka‘ ;
† 10. November 1705 in Berlin, Königreich Preußen

Geboren als Tochter eines Pfarrers war es ihr nicht in die Wiege gelegt, einmal das erste deutsche Lehrbuch für Hebammen zu schreiben und zu veröffentlichen.
Auch nicht, einmal als „Chur-Brandenburgische Hof-Wehemutter“ nach Berlin berufen zu werden.

Mit 21 Jahren erlebte und erlitt sie eine „Scheinschwangerschaft“ – unwissende Hebammen versagten. Folge:

Sie eignete sich über Bücher theoretisches Wissen an, stand armen Bäuerinnen kostenlos bei.

Sie erwarb so viel Wissen, dass sie 1670 mit 34 Jahren im nahegelegenen Liegnitz (Legnica) als „Stadt-Wehemutter“ angestellt wurde.

Durch ihre hervorragende Arbeit wurde sie überregional bekannt.

1683 berief sie der brandenburgische Große Kurfürst Friedrich Wilhelm an seinen Hof in Berlin.
Auch noch unter dem ersten Preußenkönig Friedrich I. arbeitete sie als hochdotierte Wehemutter.

Eigene Kinder bekam sie nie.
Aber sie begleitete im Laufe ihres Lebens wohl 6199 registrierte Geburten.

„Klassisch“ wurde der von ihr erfundene „gedoppelte Handgriff“, den man anwendete, wenn das Kind quer oder schräg lag und die Fruchtblase gesprungen war.

Berühmt wurde sie durch ihr Hebammen-Anleitungsbuch.
Dessen Fokus lag besonders auf Früherkennung und Kontrolle anormal verlaufender Geburten.

Es erschien 1690, wurde 1691 ins Niederländische übersetzt und bis 1756 immer wieder neu aufgelegt.

U.a. die spätere engl. Königin hatte sie ermuntert, ihr Wissen zu veröffentlichen.
Bevor sie das jedoch tat, ließ sie ihr Buch von drei Hofpredigern und der medizinischen Fakultät der Universität Frankfurt a. d. Oder begutachten.

Ihr Buch diente fast ein Jahrhundert lang deutschsprachigen Wehemüttern und Ärzten als fundierte praktische Beratung und wissenschaftliche Inspiration.

Ihre Prominenz und Anerkennung schützte sie nicht vor Angriffen von Ärzten und konkurrierenden Hebammen.
Umso mehr nach 1685, als ein Erlass der ersten Medizinalordnung in Brandenburg eine Examinierung der Hebammen durch Ärzte einführte.
Autoren bedienten sich ihrer von ihr entwickelten Techniken und Kupferstiche, z.T. ohne ihre Autorenschaft zu erwähnen.

Straßen sind nicht nach ihr benannt, noch gibt es Denkmäler zu ihren Ehren.

Die Aktion „FrauenOrte in Brandenburg“ legte aber einen „Frauenort“ in Frankfurt/Oder fest und markierte ihn mit einer Gedenktafel. (52.34175°N, 14.55431°E)

Quellen u.a.:
Klaus Brath, Ärztezeitung 10.11.2005

© Foto: H.-P.Haack. – Antiquariat Dr. Haack Leipzig, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=70363581

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